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Was geschah

Jessica litt seit Januar 2012 unter kolikartigen Bauchschmerzen, die immer nach der Nahrungsaufnahme auftraten. Nach einer Odyssee von Ärzten wurde im Februar 2012 im SRH-Wald-Klinikum Gera das Dunbar-Syndrom festgestellt und am 05.03.2012 operiert. Leider war die 1. OP erfolglos.

„Als Dunbar-Syndrom bezeichnet man ein Kompressions-Syndrom des Truncus coeliacus; es äußert sich durch Bauchschmerzen und wird durch Einklemmung der Arteria coeliaca (syn: Truncus coeliacus) und möglicherweise des Ganglion celiacum durch das Zwerchfell verursacht. Ein Ligament des Zwerchfells (Lig. arcuatum mediale) drückt auf den Truncus coeliacus, einer großen und wichtigen Arterie im Bauchraum, die Magen, Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse versorgt. Ein ausgedehnter Befund des Truncus-coeliacus-Syndroms führt zur Minderdurchblutung/Mangeldurchblutung des Darms und erklärt durchaus sehr starke Beschwerden. Es entstehen Schmerzen insbesondere nach dem Essen, wenn zur Verdauung maximal viel Blut im Darm benötigt wird. Die Schmerzen können so stark sein, dass Patienten die Nahrungsaufnahme auf ein Minimum beschränken und daher teilweise sehr viel Gewicht verlieren.“

Dieses Beschwerdebild zeigte sich bei Jessica. Sie verlor über 8 kg, da sie Nahrungsaufnahme aufgrund der Schmerzen auf ein Minimum beschränkte.
Auf der Internetseite einer Selbsthilfegruppe für das Dunbar-Syndrom wurde an das Gefäßzentrum Norddeutschland am Diakonischen Krankenhaus in Rotenburg/Wümme verwiesen (heute AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM ROTENBURG gemeinnützige GmbH).
Herr Dr. F., Leiter des Gefäßzentrums Norddeutschland und Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, ein Spezialist auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie, sollte Erfahrungen mit der Erkrankung „Dunbar-Syndrom“ haben.
Am 23.10.2012 stellte sich Jessica ambulant in seiner gefäßchirurgischen Sprechstunde vor. Dr. F. diagnostizierte anhand von Bildmaterial (u.a. Angiografie, die im Vorfeld von anderen Ärzten vorgenommen wurde), dass eine hochgradige Einengung des Truncus coeliacus weiterhin bestand und eine OP damit unumgänglich und einzige Therapiemöglichkeit ist. Die Operation wurde am 30.10.2012 durchgeführt.

Am frühen Morgen des 30.10.2012 begleitete ich meine Tochter bis zum OP-Bereich. Es flossen bei uns beiden Bäche von Tränen.

Das Letzte, was meine Tochter zu mir sagte, war: „Mami ich hab Dich ganz doll lieb. Versprich mir, dass Du da bist, wenn ich heute Mittag aufwache!“
Ich versprach´s, nahm sie in die Arme und sagte ihr, dass ich sie auch ganz doll lieb habe. Ich beruhigte sie, indem ich ihr sagte, dass alles gut wird und wir das zusammen schaffen. 2 Stunden später überfiel mich eine unerklärliche Angst, deshalb rief ich permanent im Krankenhaus an. Man gab mir jedoch nur die Auskunft, dass meine Tochter noch im OP sei. Da ich es nicht mehr aushielt, fuhr ich ins Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin klingelte mein Handy. Eine Ärztin teilte mir mit, dass es Komplikationen während der Operation gegeben hätte. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich letztendlich in das Krankenhaus gekommen bin.
Ich rannte schreiend durch die Gänge, am Handy meine beste Freundin Claudia, die vergeblich versuchte, mich zu beruhigen…ich kann mich nur noch an erschrockene Gesichter von Menschen erinnern, an denen ich vorbeilief…dann folgten 7 unendliche Stunden des Wartens, ohne zu wissen, was passiert ist…7 unendliche Stunden voller Angst um mein Kind, ohne zu wissen, dass sie in diesen Stunden um ihr Leben kämpfte…

Für die Operation waren 90 Min. geplant, doch es wurden 10 Stunden daraus. Während der Operation kam es zu einer intraoperativen Gefäßverletzung der Aorta. Lebensbedrohliche Komplikationen traten ein, da Jessica sehr viel Blut verlor. Nach der Operation kam der Operateur Herr Dr. F. zu mir und sagte, es sei zu unvorhersehbaren Komplikationen während der OP gekommen. Die Bauchschlagader von Jessica sei von selbst gerissen. Jessica hätte an einer angeborenen Bindegewebserkrankung der Aorta gelitten.

Danach verbrachte ich ca. 38 Stunden Tag und Nacht am Bett von Jessica. Sie dort liegen zu sehen, angeschlossen an so vielen Geräten, tat wahnsinnig weh. Sie war nicht ansprechbar, aber als ich sah, dass Tränen über ihr Gesicht liefen, als ich sie berührte, wusste ich, sie merkte, dass ich bei ihr bin… dass es Abschiedstränen waren, habe ich erst viel später begriffen.

Ich wurde während der ganzen Zeit auf der Intensivstation von den Ärzten in dem Glauben gelassen, meine Tochter würde es schaffen. Dies gab mir auch die Kraft, diese schweren Stunden zu überstehen. Ich streichelte ihre kalten Hände und las ihr aus ihrem Lieblingsband „House of Night“ vor, damit sie meine Stimme hörte, manchmal schlief ich vor Erschöpfung ein… ich hätte mein Leben für das ihre gegeben. Doch sie schaffte es nicht. Der Blutverlust und die dadurch entstandenen Schäden waren einfach zu groß. Am 01.11.2012 um 8.43 Uhr ist mein über alles geliebtes Kind von uns gegangen…

Sie war erst 16 Jahre und hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Ein Kind zu verlieren, ist das Schlimmste was einer Mutter passieren kann. Wenn ein Kind stirbt, stirbt auch eine Hoffnung auf Zukunft.

„Warum?“ – diese Frage ist nicht zu beantworten.
Es ist aber ein Ausdruck dafür, dass im Leben nichts mehr so ist, wie es zuvor war… Ich las erst auf der Todesbescheinigung, die ich 3 Wochen nach Jessica´s Tod auf den Behörden erkämpfen musste, dass die Todesursache eine intraoperative Gefäßverletzung der Aorta war. Hätte ich die Todesbescheinigung nicht zu Gesicht bekommen, wäre ich noch heute in dem Glauben, dass Jessicas Bauchschlagader von allein riss.

Eine von mir beantragte 2. rechtsmedizinische Obduktion, die privat finanziert worden wäre und damit keine Kosten für den Staat verursacht hätte, wurde mir von staatl. Behörden verwehrt. Am 15.11.2012 habe ich Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gegen Herrn Dr. F. gestellt (Kriminalpolizeiinspektion Gotha); der Leichnam meiner Tochter wurde beschlagnahmt.
Nach Stellen meiner Strafanzeige hätte eine Freigabe des Leichnams zur Bestattung nur durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können. Wie kann es sein, dass im Rahmen eines Strafverfahrens ein Kriminalhauptkommissar (und nicht die Staatsanwaltschaft) entscheidet, dass eine weitere Sektion nicht erfolgen wird und die Leiche meiner Tochter umgehend einzuäschern ist?
Auch meine Zeugenaussage wurde bis zum heutigen Tag nicht schriftlich aufgenommen, d.h. es gibt keine schriftlich festgehaltene und beurkundete Aussage meinerseits. Ohne meine Kenntnis hat o.g. Kriminalhauptkommissar einen inhaltlich falschen Aktenvermerk über meine Aussage erstellt, so dass dieser Bestandteil des Ermittlungsverfahrens wurde.

Die vom Operateur Herrn Dr. F. geäußerten, angeblichen Vorschädigungen des Gefäßsystems stehen im krassen Widerspruch zu Diagnosen anderer Gefäßchirurgen, die Jessica im Vorfeld untersucht hatten bzw. die nach ihrem Tod Privatgutachten erstellt haben. Auch ein von der „Welt“ hinzugezogener Gefäßchirurg bestätigt, dass keine signifikanten Vorerkrankungen im Bereich/Umgebung der Aorta bestanden haben. Alle beteiligten Mediziner kommen zu dem Ergebnis, dass bei Jessica keine Gefäßerkrankungen (weder Bindegewebsschwäche noch andere) vorgelegen haben. Eine Vielzahl von bildgebender Diagnostik (Duplex-Sonografie, MR-Angiografie, transfemorale DSA usw.) bestätigt dies.
Ein histologisches Gutachten, welches ich nach einem endlosen Kampf Ende November 2013 von der Generalstaatsanwaltschaft Celle erhielt, schließt eine solche anlagebedingte systemische Bindegewebserkrankung der Aorta ebenfalls aus.

Die zuständige Oberstaatsanwältin stellte das Verfahren mit der Begründung, dass sich mit dem histolog. Gutachten keine neuen Erkenntnisse ergeben hätten, ein. Dies ist jedoch eine komplette Fehleinschätzung. Prof. P. (Direktor des Institutes für Rechtsmedizin, Hornhaut-/Gewebebank am UKE Hamburg-
Eppendorf) hatte die rechtsmed. Sektion vorgenommen. Sein 1. Rechtsmed. Gutachten war ausschließlich darauf aufgebaut, dass bei meiner Tochter eine Gefäßerkrankung im Sinne einer
anlagebedingten systemischen Bindegewebserkrankung vorlag, die Aorta aufgrund dessen von allein gerissen sei und es sich deshalb um ein schicksalhaftes Ereignis handelte. Er stützte sich dabei auf die Aussagen des bei der rechtsmed. Obduktion anwesenden Operateurs Herrn Dr. F.
Zu dieser Zeit war das histologische Gutachten noch nicht erstellt.
Auszug aus dem 1. rechtsmed. Gutachten von Herrn Prof. P.:
„Eine Verletzung der Gefäßaußenhaut bei Freipräparation eines derartig vorgeschädigten Gefäßes ist dem Operateur aus Sicht der Gutachter nicht als ärztlicher Fehler vorzuwerfen… Aus rechtsmedizinischer Sicht handelt es sich somit um ein schicksalhaftes Ereignis.“

Mit dem nunmehr vorliegenden histologischen Gutachten, das beweist, dass die Aorta meiner Tochter nicht vorgeschädigt war, ist das gesamte 1. rechtsmedizinische Gutachten des Herrn Prof. P. nichtig.

Des Weiteren stützt sich die Generalstaatsanwaltschaft Celle bei ihrer Entscheidung, die Strafanzeige niederzuschlagen, offenbar ausschließlich auf die Aussagen des Herrn Prof. P. Obwohl Prof. P. nunmehr in seinem 2. – ergänzenden – Gutachten von sich selbst schreibt, die medizinischen Vorgänge(fachspezifische Fragestellungen) nicht ausreichend beurteilen zu können „Sehr spezielle Fragen können von hier aus nicht beantwortet werden…Falls die Generalstaatsanwaltschaft in dieser Richtung weitere Aufklärung erreichen will, müsste ein spezielles gefäßchirurgisches Gutachten in Auftrag gegeben werden.“ sieht die Generalstaatsanwaltschaft Celle keine Veranlassung, ein Gutachten von einem Gefäßexperten einzuholen, der beurteilen könnte, wie es zum Schnitt/Riss von Jessicas Aorta gekommen ist.

Herr Prof. P. formuliert in seinem 2. – ergänzenden -Gutachten nun schwammig: „Entscheidend für den fatalen Verlauf war vor allem, dass dem Operateur bei der Präparation der Körperhauptschlagader direkt unterhalb des Zwerchfells eine Gefäßverletzung unterlief…“
„Jedenfalls kann der Unterzeichnende nicht abgrenzen, ob im Moment der Gefäßwandverletzung ein Messer des Operateurs im Spiel war…ein anderes, bei der Operation eingesetztes Werkzeug, evtl. auch dass direkt oder indirekt die Assistenz des zweiten Operateurs beteiligt war.“

Dennoch sieht die Generalstaatsanwaltschaft Celle auch hier davon ab, die an der Operation beteiligten Personen zu befragen und teilt sogar abschließend mit „Selbst wenn ein weiteres Gutachten ergeben würde, dass diesbezüglich med. Versäumnisse vorgelegen hätten, würde das nicht weiterführen.“

Während der rechtsmed. Obduktion wurden Jessica die Aorta sowie diverse Gewebe- bzw. Organteile entnommen. Ich erfuhr dies erst aus dem Obduktionsbericht, den ich nur durch Einschalten eines Anwaltes, 4 Monate später erhielt. Ich hatte meine Tochter in dem Glauben, dass ihr Körper vollständig ist, bestattet. Der Verbleib der entnommenen Asservate ist bis heute ungeklärt. Nachfragen meinerseits bei der Generalstaatsanwaltschaft blieben unbeantwortet. Ebenso unbeantwortet blieben die von mir in Zusammenarbeit mit den Privatgutachtern aufgeworfenen Fragen zur lückenlosen Aufklärung der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod meiner Tochter. Ein Privatgutachter schätzt ein, dass der Operateur sich überschätzt hat und wiss. nicht kompetent genug ist. „wissenschaftlich qualifiziert ist der Operateur ganz sicher nicht“

Im Rahmen des komplikativen operativen Verlaufes wurde wegen der schweren Blutungskomplikation der Truncus nicht revaskularisiert. Unklar bleibt, warum die sekundäre Revaskularisation des Truncus nicht im Rahmen der zweimaligen Revisionsoperationen erfolgte. Todesursache war daraufhin eine massive mesenteriale Ischämie. Ein Privatgutachter schätzt ein, dass das Nichtwiederanschließen des Truncus coeliacus „faktisch schon das Todesurteil darstellte…“ „Jessica Meinschein hat bei verschlossenem Truncus coeliacus auch keine Chance zu überleben.“

Wieso erfolgen dann noch 3 weitere OP´s in den nächsten Tagen? Stellt dies nicht eine Verletzung der menschlichen Würde dar? Waren die 3 nachfolgenden Operationen sowie die Intensivmedizinische Betreuung, incl. Massenbluttransfusionen (79 transfundierte Blutprodukte) notwendig oder spielte hier nur eine wirtschaftliche Gewinnerzielung eine Rolle?
Fraglich ist auch, warum die Fasziotomie (operative Spaltung der Faszie) beider Unterschenkel erst nach mehr als 6 Stunden, nachdem sich ein Kompartementsyndrom (gestörte Durchblutung aufgrund des massiven Anstiegs des Gewebedruckes) beider Beine gezeigt hatte, durchgeführt wurde. Die ausbleibende oder auch nur um wenige Stunden verschleppte Behandlung führt zur dauerhaften Schädigung der durch den Gewebedruck irreparabel geschädigten Nerven und des Gewebes.

Selbst 1.826 Tage nach dem Tod von Jessica sind noch viele Fragen ungeklärt, Unterlagen und Bildmaterial verschwunden…
doch ich werde weiter für Gerechtigkeit kämpfen, denn ich habe meiner Tochter versprochen, dass der, der ihren Tod verschuldet hat, zur Verantwortung gezogen wird…